Thema: Der Umgang mit Hörgeschädigten
Die Polizei und ihre Aufgaben – für viele Hörgeschädigte wohl ein unbekanntes Pflaster. Das, was wir aus dem TV kennen, hat mit der Realität oft wenig zu tun – besonders wenn Hörgeschädigte in einem Fall verwickelt sind. Klischee über Klischee…Der Alltag sieht da ganz anders aus. Kleines Blogteam „Silent Writer“ wollte etwas mehr darüber erfahren und beschloss die „Ermittlungen“ aufzunehmen. Wie verläuft die Kommunikation zwischen Polizei und Hörbehinderten bei einem Einsatz? Wie funktioniert der Notruf für Gehörlose? Und vor allem: Was weiss die Polizei über die Hörgeschädigten?
Angefangen haben wir beim Landeskriminalamt. Auf unsere Anfrage, den Beamten „über die Schulter“ schauen zu dürfen, haben wir „wegen der angespannten Arbeitssituation“ eine knappe Absage erhalten. Dafür wurde uns die andere Frage beantwortet.
hewritesilent: Sind hier bei dem Landeskriminalamt hörgeschädigte Mitarbeiter beschäftigt?
LKA (H-M. H., echte Name des Interviewpartners der Blogger bekannt): Hörgeschädigte Mitarbeiter sind unseres Wissens im LKA nicht beschäftigt.
hewritesilent: Danke.
LKA: Wir wünschen Ihren Aktivitäten für Hörgeschädigte auf alle Fälle viel Erfolg.
Später haben wir bei der Pressestelle im Polizeipräsidium nachgefragt und wurden auf die Notrufzentrale verwiesen. Einsatzleiter der Notrufzentrale, stellte sich uns freundlicherweise zur Verfügung.
hewritesilent: Sind hier bei der Polizei z.B. in der Verwaltung hörgeschädigte Mitarbeiter beschäftigt?
Einsatzleiter (J.R., echte Name des Interviewpartners der Blogger bekannt): Ja, ein schwerhöriger Mitarbeiter und ist zuständig für die Sachbearbeitung.
hewritesilent: Beherrschen Sie oder einer Ihrer Mitarbeiter die Gebärdensprache?
Einsatzleiter: Beim Polizeinotruf nicht erforderlich und sinnvoll.
hewritesilent: Wie werden die Notruf-Meldungen für Hörgeschädigte (Fax/Schreibtelefon/SMS) bearbeitet und weitergeleitet?
Einsatzleiter: Die Einsatzzentrale verfügt über ein Schreibtelefon. Das Telefon wird vom Leiter der Einsatzzentrale bedient, bei Bedarf ein Einsatz aufgebaut und bearbeitet. Die Frequenz der Nutzung ist gering. SMS-Notruf ist im rechtlichen Sinne nicht als Notruf einzuordnen.
hewritesilent: Kommt in Deutschland auch die einheitliche Notrufnummer „112“ wie z.B. in anderen Länder, an die man auch per Fax oder Schreibtelefon oder SMS einen Notfall melden kann?
Einsatzleiter: Dass die Polizei auch im Festnetz auf 112 umschwenkt ist mir nicht bekannt. Es bedürfte auch erheblicher Infrastrukturmaßnahmen, um dies zu realisieren. Es müssten „Call Center“ geschaffen werden, die den Anlass des Anrufes vorklären. Das FAX und SMS sehe ich nicht als sonderlich zielführend an, da hier kein „Gespräch“ möglich ist, sondern immer das Ende der Sendung abgewartet werden muss. Interessant wäre eine „Chatlösung“, die aber seitens der Verbände auf nicht sonderliches Interesse stößt.
hewritesilent: Die Notrufnummer 110 wird missbraucht. Kommt dies auch beim Gehörlosennotruf vor?
Einsatzleiter: Durch zweideutige Positionierung im Telefonbuch Anruf durch sonstige Personen. Diese werden in der Regel an eine andere Nebenstelle verwiesen.
hewritesilent: Meinen Sie, sollten die Handy ohne Karte und kostenlos funktionieren?
Einsatzleiter: Dass der Notruf bei Mobiltelefonen auch ohne Karte und kostenlos funktioniere, sei eigentlich eine gute Sache. Bei einem Unfall auf der Autobahn oder auf der Straße melden sich gleich zehn oder mehrere Leute. Da geht nichts mehr verschütt.
hewritesilent: Ist die Sirene Ihres Funkstreifenwagens nicht zu leise?
Einsatzleiter: ??? (reagiert verwundert) Manche Nicht-Behinderte hören es wegen Autoradiomusik immer noch nicht, die Kollegen im Funkwagen bekommen einen Gehörschaden durch die Lautstärke. Wie Sie vielleicht mitbekommen haben, wird evtl. an anderen Tonfolgen gearbeitet (amerik. Sirenen).
hewritesilent: Wie gehen die Polizisten allgemein vor, die bei einer Fahrzeugkontrolle einen Hörgeschädigten vor sich haben? Gab es Probleme, so dass ein Dolmetscher hinzugerufen werden musste?
Einsatzleiter: Bei verschiedenen Polizeidienststellen konnte die Polizisten feststellen, daß es bisher keine großen Probleme beim Aufeinandertreffen von Polizei und Hörgeschädigten gab. Bei einer Fahrzeugkontrolle kann manchmal diese auf dem schriftlichen Wege über einen Notizblock oder einfache Handzeichen erfolgen.
hewritesilent: Wird an der Polizeischule der Umgang mit hörgeschädigten Mitbürgern erläutert?
Einsatzleiter: In der Ausbildung der Polizeibeamten wird die Kommunikation mit Hörgeschädigten nicht gesondert behandelt. Dies fällt unter das allgemeine Ausbildungsfeld „Kommunikation und Konfliktbewältigung“.
hewritesilent: Waren die Kollegen jemals bei einem Vorfall dabei, an dem Hörgeschädigte beteiligt waren? Wie verlief die Kommunikation und was für Erfahrungen haben die Beamten gemacht?
Einsatzleiter: Erfahrungen zu konkreten Fällen können die Polizisten leider nicht mitteilen, da es in Deutschland sehr viele Polizeidienststellen gibt und es uns nicht möglich war bei allen nachzufragen, da ja der Dienststellenleiter auch erst bei seinen Mitarbeitern nachfragen müsste. Dies ist bei vielen Beschäftigten des Polizeipräsidiums etwas schwierig. Bei den Dienststellen, bei denen wir uns erkundigt haben, konnten wir keine konkreten Fälle in der letzten Zeit genannt werden.
hewritesilent: Vielen Dank für das Interview.
Einsatzleiter: Gerne.
Fazit: Generell kann man sagen, daß der Umgang mit Hörgeschädigten in den persönlichen Ermessensspielraum eines jeden Polizisten fällt.