Baseballspieler tun „es“, Indianer tun „es“ auch und die Mafia sowieso. Damit ist die Zeichensprache gemeint, die der Verständigung dient. Bei den oben genannten Beispielen werden die Gesten verwendet, um den Gegner auszutricksen. Anders ist es bei den Gehörlosen. Wir benutzen die Zeichensprache zu friedlichen Zwecken. Hörende Menschen können die Gebärdensprache an Volkshochschulen erlernen und dabei auch eine verborgene Welt neu entdecken.
Jeder kann die Sprache erlernen.
Und Nachfrage gibt es genug. Die Kurse sind schon wenige Tage nach dem Beginn der Einschreibung überbelegt. Alter spielt keine Rolle. Die Berufsspanne der Teilnehmer reicht von AutomechanikerInnen über GrafikerInnen und PolizistInnen bis zu TänzerInnen. Die Kursbesucher nennen am ersten Tag bei der Vorstellung alle möglichen Gründe für die Teilnahme. Der Hauptgrund jedoch ist bestimmt Neugier.
Aller Anfang ist einfach. In den Kursen sind alle Dozenten gehörlos. Am ersten Tag wird den Besuchern gnädigerweise eine Dolmetscherin zur Verfügung gestellt. Der Kursleiter fesselt die Schüler mit Vorträgen über die tragische Geschichte der Gehörlosen und vom ewigen Kampf um Gleichstellung und Anerkennung. Wenn auch seine gute Laune ein wenig für Verwirrung sorgt.
Vierzehn Unterrichtstage lang bleiben die Schüler sprachlos. Es wird nur gebärdet. Die Hände müssen immer in Bewegung bleiben. Das fällt den meisten schwer. Die Hand, bisher nur zum Arbeiten genutzt, soll nun plötzlich sprechen können? Obwohl – die Hand hat man damals doch was sagen lassen, wenn auch nur durch Fingerzeigen beim Belehren (Zeigefinger) und Schimpfen (Mittelfinger).
Es kommen Handbewegungen zustande, bei dem jedem Gehörlosen die Haare zu Berge stehen würden. Selbst Verkehrspolizisten, die mit den Armen den Verkehr regeln, gebärden verständlicher.
Doch in jedem steckt ein Meister. Die Teilnehmer müssen bei den Kursen das Wichtigste ablegen – die Verspannung. Bei keinem anderen Kurs warten so viele verkrampfte Glieder auf ihre Erlösung. Während des Unterrichts werden deshalb Entspannungsübungen durchgeführt. Es sind meistens Spiele, die den Teilnehmern nicht nur die Steifigkeit nehmen, sondern auch für Lachanfälle sorgen. Alleine diese Übungen ersetzen jede teure Entspannungsgymnastik. Genau das Richtige für Manager und Aktienhändler. Gebärdensprachkurse können sich zu einem Geheimtip für Stressgeplagte entwickeln…
Dabeisein ist alles. Abwesenheit wird knallhart bestraft. Denn Gebärdensprache kann man später nicht vom Sitznachbarn abschreiben. Und die anderen Anfänger können nur schwer dem Verhinderten das Verpasste zeigen. Richtig gebärden – das kann nur der Kursleiter. Und so müssen einige Schwänzer den Kurs schweres Herzens verlassen und zum nächsten Semester einen neuen Anlauf starten.
Kein anderer Kurs verlangt so viel Blickkontakt und Aufmerksamkeit. Wer jetzt an den Kriegsfilm „Full Metal Jacket“ denkt und glaubt, die Teilnehmer werden wie bei der US-Marine gedrillt, ist falsch dran. In den Kursen geht es sehr lustig und unterhaltsam zu. Die Aufregung zu Beginn des Kurses legt sich. Jedem Schüler wird die Steifigkeit genommen.
Niemand wird wie früher in der Schule benachteiligt, die Kursleiter beantworten jede noch so unsinnige Frage („Gebärdensprache – und was ist mit der Rechtschreibreform vor einigen Jahren?“). Die Teilnehmer lernen durch den Dozenten auch etwas über die Welt der Gehörlosen kennen, die eigentlich gar nicht so weit von der Welt der Hörenden entfernt ist – nur einen Wink.