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Dr. Seltsam oder wie die anderen Deafies lernten das Cochlear-Implantat zu lieben

Dr. Ulrich Hase (schwerhörig), ehemaliger Präsident des deutschen Gehörlosenbundes (DGB), kuschelt seit langem mit den Cochlear Implantat-Anhängern, und keinen Gehörlosen scheint das zu stören. Und das, obwohl der DGB (offensichtlich) nach wie vor konsequent einen offenen Feldzug gegen das Cochlea-Implantat (CI) führt. Seltsam, nicht wahr? Noch vor einigen Jahren wetterte Deutsche Gehörlosen-Bund in einem offenen Protestschreiben gegen das Cochlear-Implantat und preiste die Vorzüge der Gehörlosigkeit an. Und heute führen die Gehörlosen-Basis unsichtbare Schlacht gegen die CI-Ärzte aus, weil die meisten meinen fühlen sie sich durch diese Absonderlichkeit ungerecht behandelt. Man muss auch auf der anderen Seite berücksichtigen, ob CI-Ärzte unterbezahlt (Honorar nicht zufrieden) und vom Staat bzw. Krankenkasse ungerecht behandelt wurden. Oder war das wieder nur Show? Denn Tatsache ist: Dr. Uli Hase ist Vorsitzender der deutschen Gesellschaft zur Förderung der Gehörlosen und Schwerhörigen e.V. (kurz D.G. genannt), die ihren Sitz in Rendsburg hat. Einer der Mitglieder ist ausgerechnet die deutsche Cochlea-Implant-Gesellschaft. Richtig, auch Hund und Katze werden Freunde.

Und was ist mit der Solidarität im Kampf gegen das Cochlear-Implantat? Tja, die zählt nichts in Zeiten, wo Mitgliederzahlen der Gehörlosenvereine seit Jahren unaufhaltsam in den Keller fallen. Siehe Statistik von Deutsche Gehörlosen-Sportbund: http://www.dg-sv.de/wir_ueber_uns/statistic_files/dgs2010_tab1-4.pdf

(Bedenke dabei, die tatsächliche Zahl könnte etwa 10 % bis 30% niedriger ausfallen, da die meisten Gehörlosen Zweitmitgliedschaften verfügen und ist jede Neumitgliedschaft mit Gold aufzuwiegen).

Außerdem munkeln angebliche Insider, dass der „Kampf gegen das Cochlea-Implantat“ so gut wie verloren sei. „Und die Zeiten ändern sich nun mal“, wurde noch bemerkt. Selbst Christina A. Benker (ehemalige Frauenbeauftragte des Deutsche Gehörlosen-Bundes) sagte einmal: „In einer Gebärdensprachgemeinschaft können wir viel mehr erreichen als wenn wir uns „krampfartig“ an unserer Gehörlosenkultur festhalten, die eh ein aussichtloser Kampf sein wird.“ Und sie meinte auch noch zusätzlich, dass es eine Wandel von einer Gehörlosenkultur zu einer Gebärdensprachkultur geben wird. Oder Dr. phil. Herman Nilson aus Berlin (freier Journalist für das Gehörlosenmagazin „LifeInsight“) behauptet: „Die Gehörlosen seien zu hysterisch vom Aussterben bedrohten Gehörlosenkultur.“ Wer weiß – vielleicht wird Rudi Sailer Präsident der Deutschen CI-Gesellschaft? Reden kann er ein bisschen ja. Und ach ja, die Normalos-Schwerhörigen ohne CI sind der lachende Dritte und stoße aber auf taube Ohren. 😉

Edit: Danke an ein Leser, die mich aufmerksam machte. Leider ist mir ein kleines formuliertes Fehler in Sachen Statistik von Deutscher Gehörlosen-Sportverband unterlaufen. Im Jahr 1996 wies Deutscher Gehörlosen-Sportverband die höchste Zahl der Mitglieder mit knapp 13.000 auf und ging seitdem bis heute nur noch 9.000 Mitglieder bergab. Das macht innerhalb 15 Jahren enorme 4.000 Mitgliedsverlust aus.

 
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Verfasst von - 12. Januar 2012 in Cochlear Implantat, Politik

 

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Hände hoch für alle – Gebärdensprachkurs an der VHS

Baseballspieler tun „es“, Indianer tun „es“ auch und die Mafia sowieso. Damit ist die Zeichensprache gemeint, die der Verständigung dient. Bei den oben genannten Beispielen werden die Gesten verwendet, um den Gegner auszutricksen. Anders ist es bei den Gehörlosen. Wir benutzen die Zeichensprache zu friedlichen Zwecken. Hörende Menschen können die Gebärdensprache an Volkshochschulen erlernen und dabei auch eine verborgene Welt neu entdecken.

Jeder kann die Sprache erlernen.
Und Nachfrage gibt es genug. Die Kurse sind schon wenige Tage nach dem Beginn der Einschreibung überbelegt. Alter spielt keine Rolle. Die Berufsspanne der Teilnehmer reicht von AutomechanikerInnen über GrafikerInnen und PolizistInnen bis zu TänzerInnen. Die Kursbesucher nennen am ersten Tag bei der Vorstellung alle möglichen Gründe für die Teilnahme. Der Hauptgrund jedoch ist bestimmt Neugier.

Aller Anfang ist einfach. In den Kursen sind alle Dozenten gehörlos. Am ersten Tag wird den Besuchern gnädigerweise eine Dolmetscherin zur Verfügung gestellt. Der Kursleiter fesselt die Schüler mit Vorträgen über die tragische Geschichte der Gehörlosen und vom ewigen Kampf um Gleichstellung und Anerkennung. Wenn auch seine gute Laune ein wenig für Verwirrung sorgt.

Vierzehn Unterrichtstage lang bleiben die Schüler sprachlos. Es wird nur gebärdet. Die Hände müssen immer in Bewegung bleiben. Das fällt den meisten schwer. Die Hand, bisher nur zum Arbeiten genutzt, soll nun plötzlich sprechen können? Obwohl – die Hand hat man damals doch was sagen lassen, wenn auch nur durch Fingerzeigen beim Belehren (Zeigefinger) und Schimpfen (Mittelfinger).

Es kommen Handbewegungen zustande, bei dem jedem Gehörlosen die Haare zu Berge stehen würden. Selbst Verkehrspolizisten, die mit den Armen den Verkehr regeln, gebärden verständlicher.

Doch in jedem steckt ein Meister. Die Teilnehmer müssen bei den Kursen das Wichtigste ablegen – die Verspannung. Bei keinem anderen Kurs warten so viele verkrampfte Glieder auf ihre Erlösung. Während des Unterrichts werden deshalb Entspannungsübungen durchgeführt. Es sind meistens Spiele, die den Teilnehmern nicht nur die Steifigkeit nehmen, sondern auch für Lachanfälle sorgen. Alleine diese Übungen ersetzen jede teure Entspannungsgymnastik. Genau das Richtige für Manager und Aktienhändler. Gebärdensprachkurse können sich zu einem Geheimtip für Stressgeplagte entwickeln…

Dabeisein ist alles. Abwesenheit wird knallhart bestraft. Denn Gebärdensprache kann man später nicht vom Sitznachbarn abschreiben. Und die anderen Anfänger können nur schwer dem Verhinderten das Verpasste zeigen. Richtig gebärden – das kann nur der Kursleiter. Und so müssen einige Schwänzer den Kurs schweres Herzens verlassen und zum nächsten Semester einen neuen Anlauf starten.

Kein anderer Kurs verlangt so viel Blickkontakt und Aufmerksamkeit. Wer jetzt an den Kriegsfilm „Full Metal Jacket“ denkt und glaubt, die Teilnehmer werden wie bei der US-Marine gedrillt, ist falsch dran. In den Kursen geht es sehr lustig und unterhaltsam zu. Die Aufregung zu Beginn  des Kurses legt sich. Jedem Schüler wird die Steifigkeit genommen.

Niemand wird wie früher in der Schule benachteiligt, die Kursleiter beantworten jede noch so unsinnige Frage („Gebärdensprache – und was ist mit der Rechtschreibreform vor einigen Jahren?“). Die Teilnehmer lernen durch den Dozenten auch etwas über die Welt der Gehörlosen kennen, die eigentlich gar nicht so weit von der Welt der Hörenden entfernt ist – nur einen Wink.

 

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